Un paso, me voy para siempre, un paso fuerte. Un paso hacia adelante. Dos pasos, me voy sin mirarte. Tan lejos pisé, dos pasos y ya te olvidé. Tres pasos ya son hacia al este, el sur, el oeste. Tres pasos creo mucho, me parece.
Ein Schritt, ich gehe für immer, ein starker Schritt, ein Schritt vorwärts. Zwei Schritte, ich gehe ohne dich anzusehen. So weit bin ich schon gegangen, zwei Schritte und ich habe dich schon vergessen. Drei Schritte, ich bin schon nach Osten, nach Süden, nach Westen. Drei Schritte, ich glaube das ist viel, so scheint es mir.
("Mil Pasos", Soha)Der Rezeptionist redet fast verzweifelt auf Portugiesisch auf mich ein. "Aber mein Herr, das können Sie doch nicht machen, da gibt es doch sicher einen anderen Weg. Schauen Sie, hier, auf dem Stadtplan, dort an der Ecke ist ein Uhrmacher. Ich bin sicher, dass der Ihnen das Stück reparieren kann. Der macht... gut... der macht erst um 10 Uhr auf... und sie wollen vermutlich weiter, aber wenn Sie wollen, dann kann ich nach einem in Tui schauen."
Ich lächle freundlich und sage "Nein, danke. Ich möchte sie gerne hier lassen. Sie ist Schrott - Müll!" Das Wort für "Müll" habe ich oft genug gelesen auf Schildern, die verboten, Müll im Wald zu verklappen. Nicht, dass sich die Portugiesen daran halten würden - wilde Müllkippen habe ich sehr häufig gefunden, oft hat sogar noch jemand mit Feuer nachgeholfen. Kein Wunder, dass es Probleme mit Waldbränden gibt.
Der Rezeptionist gibt sich schließlich geschlagen und nimmt die Überbleibsel der Uhr entgegen. Es ist nicht der einzige Ballast, den ich im Hotel entsorge. Ich habe ein paar Ausdrucke mit Grammatikregeln, die ich nicht brauche, ebenfalls weggeworfen, sowie Teile von Pamphleten von Streckenabschnitten, die ich in Spanien nicht mehr brauchen werde. Der Rucksack ist tatsächlich ein deutliches Stückchen leichter, was wichtig ist, denn die Lösung mit dem Hüftgurt hat nicht funktioniert. Das ist nur halb schlimm - denn es ist eigentlich ein Kinderrucksack, den ich nur wegen seinem kleinen Volumen gewählt hatte. Schnalle ich den um die Hüfte, sitzt er sehr komisch am Rücken. Aber gut. Das Problem habe ich jetzt nicht mehr. Wird es mir auf dem Rücken zu schwer, dann muss ich an den Gurten ziehen und ihn so tragen - das geht ganz gut.
Ich mache mich auf dem Weg durch die alte Stadtmauer von Valença, vorbei an einem Café, das auf Portugiesisch und leicht falschem Englisch einen darüber informiert, dass dies das letzte Café entlang des Caminos auf portugiesischer Seite ist. Ich glaube es, denn nur wenige Schritte erwähnt stehe ich an der internationalen Brücke. Die Grenze verläuft genau in der Mitte des Flusses, der auf portugiesisch Minho und auf spanisch Miño heißt. Auf der Brücke ist sie markiert mit zwei Fußabdrücken. Die Aussage ist klar - wenn du dich hier hin stellst, dann ist dein linker Fuß in Spanien und dein rechter in Portugal. Ich schaue kurz zurück, leicht wehmütig. Portugal war gut zu mir und es hat mir gut gefallen.
![]() |
| Auch, wenn Spanien nicht gerade einen hässlichen ersten Eindruck macht |
Der Teil Spaniens, in dem ich mich nun befinde, ist Galizien, eines der Gebiete, die gerne autonom wären, so wie Katalonien - anders als Katalonien aber eher ärmer ist. Was die beiden Landesteile aber gemeinsam haben, ist, dass sie eine eigene lokale Sprache haben. Galego bzw. Galizisch - eine Art Mischung aus Portugiesisch und Spanisch. Meinen ersten Eindruck davon bekomme ich an einem schönen Wandgemälde, dass einem die Stadt Tui erklärt.
![]() |
| Ob für die Einheimischen, die Touris oder die Pilger ist allerdings nicht ganz klar |
Der erste Schritt, den ich in Richtung Jakobsweg unternommen hatte, war, die Muscheln in Hamburg mitzunehmen. Bin ich schon seit 2002 am Pilgern? War jeder Schritt ein Schritt auf dem Weg? Schließe ich hier nur etwas ab, was schon sehr lange begann?
Ich durchstreife die schöne Altstadt von Tui. Der galizische Baustil unterscheidet sich bereits deutlich von dem portugiesischen. Verschwunden sind die verkachelten Häuser, dafür stehen hier Gebäude mit rauen Steinfassaden, die auch gut aussehen - aber eben auch deutlich anders.
Der Weg ist einfach zu laufen. Er führt aus Tui heraus zwar an einer Landstraße entlang, aber anders als die portugiesischen Straßen gibt es hier einen ordentlichen Bürgersteig und die Spanier fahren deutlich umsichtiger als die Portugiesen, man kann also ohne Todesangst Strecke machen. Das Problem an diesem Tag ist ein anderes - die Sonne brennt brutal vom Himmel und es gibt kaum Schatten, was einem unglaublich zusetzt.
Das trifft auch auf galizisch zu. Auf dem Weg aus der Stadt heraus finde ich unter einer Brücke einen Spruch von dem Konzil von Tui in Galego, das mir zeigt, wie stark es doch von Castellano, dem, was wir so als Spanisch bezeichnen, abweicht.
![]() |
| "Wohin geht dieser Pilger, wohin wird mein Pilger gehen, den Weg nach Compostela, ich weiß, er wird dort ankommen. Guten Weg und einen Wunsch. Konzil von Tui." |
Kurz vor O Porriño, dem geplanten Ende meiner Tagesetappe, gibt es eine Wegalternative. Weiter an der Straße entlang durch ein Industriegebiet - oder durch den Wald, was länger aber reizvoller ist. Ich wähle den Wald und bin recht froh darüber. Hinter dieser Strecke treffe ich an einem Getränkeautomaten Nicole und Daniel, zwei Pilger aus Schwäbisch-Hall, wieder. Wir reden darüber, dass ich Reiseführer für unnötig halte. Nicole schnippt: "Ohne Reiseführer hätte ich nicht gewusst, dass hier ein Getränkeautomat ist." Ich kontere: "Ich habe das an dem Schild 'Getränkeautomat' erkannt, das da hängt."
Am Eingang von O Porriño sehe ich etwas, was ich deutlich häufiger erwartet hätte - Witzbolde haben hier die Pfeile übersprüht um Pilger an den Läden und der Hauptstraße entlang zu führen. Aber die Freunde des Jakobswegs haben das Übersprühte wieder übersprüht - es ist etwas verwirrend, aber es ist doch klar, wie man laufen muss - von der Hauptstraße weg und durch den Wald. Nicole und Daniel versichern sich dennoch mit dem Reiseführer und wir verabschieden uns auf später in die Herberge.
![]() |
| Dieses Wäldchen bietet sogar etwas Schatten... |
Genau in dem Moment kommt Trine vorbei, eine Pilgerin aus Dänemark. Sie erzählt mir, dass es in Mos, etwa 5km entfernt, zwei Herbergen gibt. Sie weiß nicht, wie voll die bereits sind, aber das wäre eine Chance. Erleichtert schalte ich das Handy wieder aus, bin aber immer noch nervös, dass wir nicht rechtzeitig ankommen. Ich laufe mit ihr in Richtung Mos. Es geht bergan, ich presse aber vorwärts. Einen Bauer frage ich auf Castellano nach dem Weg und die Antwort kommt in Galego. Ich verstehe es dank meinem Portugiesisch genug um zu verstehen, dass es nicht weit ist. Eine Herberge sei hinter dem nächsten Hügel, nur wenige hundert Meter entfernt. Die nächste befindet sich hinter einer Kirche, beide liegen am Weg. Ich bedanke mich. Die erste Herberge befindet sich tatsächlich dort, wo der Bauer es sagte - Trine versucht ihr Glück mit der zweiten. Aber diese erste Herberge hat nicht nur ein Bett für mich, es gibt da auch Frühstück. Ich bin erleichtert - aber muss feststellen, dass ich durch die Hetzerei nicht auf mich geachtet hatte. Beim einräumen stöhne und ächze ich wie ein alter Mann. Mein linkes Fußgelenk schmerzt und ich kann die Treppe nur eine Stufe zur Zeit hoch- und hinuntergehen. Wäsche waschen und einräumen ist sehr mühselig.
Ich trinke meine drei Dosen Eistee im Schankraum - der Wirt hat den Ventilator netterweise so aufgestellt, dass er mich genau anbläst, was sehr angenehm ist. Auf der Rückseite meiner linken Wade ist ein dicker, fetter Sonnenbrand obwohl ich mich zweimal eingeschmiert hatte. Seufzend nehme ich mir vor, morgen die Hose lang zu tragen um die Stelle vor der Sonne zu schützen.
In der Herberge sind einige Deutsche. Ein junger Pilger namens Tobias, den ich schon in Tui getroffen hatte und der aus Saarluis kommt, Mani und Markus aus Freiburg und noch ein paar. Sie bieten mir an, sich zu ihnen zu setzen. Ich humpele dazu - allerdings spielen einige der Pilger hier Trinkspiele und es fließt recht viel Alkohol. Ich kann damit nicht so viel anfangen und mache mich lieber bettfertig.
Es gibt viele verschiedene Gründe, warum man pilgert. Einige tun es aus tiefen religiösen Gefühlen, andere, weil sie echte spirituelle Fragen haben, wieder andere aus Abenteuerlust. Dann gibt es die, die sich beweisen wollen, dass ihr Körper noch nicht kaputt ist, dass sie so etwas leisten können. Und es gibt Pilger, die ich "Partypilger" nenne. Ich meine das durchaus nicht abwertend - jeder geht seinen Weg. Partypilger laufen des Tags und gönnen sich nachts dann viel Alkohol und Partyspiele. Für sie ist der Weg ein Happening. Das ist nicht falsch. Das ist das, was sie aus dem Weg ziehen und das ist in Ordnung. Es ist nur nicht mein Weg und daher beschäftige ich mich nicht viel mit Partypilgern.
Natürlich gibt es Mischformen. Jeder geht seinen Weg, jeder hat seine Mischung aus Sinnsuche, Abenteuerlust, Drang sich zu beweisen, Spiritualität und Glaube. An diesem Abend stelle ich es noch nicht fest, aber mit den anderen am Tisch verbindet mich dann doch mehr.
Was ich aber feststelle, als ich im Bett liege, ist, dass der Hund vom Nachbargrundstück meine Tierliebe auf eine harte Probe stellt, da er sogar noch lauter ist als die Portugiesen ein Stockwerk unter mir. Er kläfft solange, bis ein Hund in weiterer Ferne kläfft und dann kläfft er, weil dieser kläfft. Aber auch das überstehe ich und schlafe irgendwann ein.




Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen