Samstag, 24. Juni 2017

Tag 0 - Barfuß in Porto


Wer barfuß geht, den drücken die Schuhe nicht.
Altes Sprichwort 
Ich hatte es mir in den Kopf gesetzt gehabt, den Weg barfuß zu laufen. Nicht aus Masochismus heraus, sondern vielmehr, weil ich sehr gerne barfuß gehe und ich finde, dass es mir hilft, "im Moment" zu sein. Füße sind aktive Organe, wenn man sie lässt - läuft man barfuß, dann hat man ein direktes Feedback zu der Bodenbeschaffenheit, zu der Bodentemperatur, der Fuß kann sich aktiv dem Untergrund anpassen. Man läuft weicher und gelenkschonender und irgendwie ist man insgesamt mehr bei sich.
Natürlich habe ich aber nicht versucht, all das dem Menschen bei der Sicherheitsschleuse zu erzählen, der mich dann doch nicht nur zu Metall am Körper befragt, sondern auch dazu, was ich so vor habe und wo ich hinreise - wohl um zu sehen, ob ich noch ganz dicht bin. Denn schon im Flughafen bin ich barfuß unterwegs, habe aber vorsichtshalber Sandalen in der Plastiktüte, die mein Handgepäck darstellt, für den Fall, dass irgendein übereifriger Flughafenmitarbeiter Probleme macht. Macht aber keiner, auch der Mensch an der Sicherheitsschleuse entscheidet wohl, dass mein Geisteszustand für eine Flugreise ausreichend ist und lässt mich passieren.
Im Terminal herrscht ein recht ordentlicher Betrieb. Die Schlange beim Bäcker ist lang, auch, weil gerade eine spanische Schulklasse versorgt werden musste und jeder der Kinder ein belegtes Brötchen mit Getränk kriegt. Nicht so wichtig, denn ich habe Zeit. Ich hole mir zwei Teilchen und gehe dann zum Gate.
Ryanair hat es geschafft, dass Flüge mit ihnen sich noch mehr wie ein Viehtransport anfühlen. Dazu lassen sie die Passagiere neuerdings zwar durch das Gate, pferchen sie aber zunächst vor dem Rollfeld ein, bis die Passagiere von dem ankommenden Flug über das Rollfeld in das Terminalgebäude gelaufen sind. Mir soll das egal sein, Hauptsache, ich komme an. Der Flug verläuft problemlos. Neben mir ist ein portugiesischer Mann mit einem Kleinkind, der es aber bemerkenswert gut schafft, dieses bei Laune zu halten.
Mit leichten Kopfschmerzen laufe ich auf das Rollfeld in Porto. Es ist kälter als in Köln, aber gut, ich will ja auch laufen. Ich warte auf mein Gepäck, greife es und mache mich auf den Weg zur Metro, mit der ich in die Stadt fahre.
Neben mir in der Bahn sitzen einige, die bereits sehr deutlich als Pilger erkennbar sind. Die meisten sind Deutsche, die mit mir zusammen im Flieger saßen. Für die erste Nacht in Portugal hatte ich mir noch ein normales Pensionszimmer besorgt in der Pensão França, gegenüber von der Universität. Ich frage bei einer Touristeninformation, die mir den Weg weisen - auf meinem Handy sehe ich aber einen kürzeren Weg und frage mich, warum sie mir diesen nicht gezeigt haben. Die Antwort erhalte ich sehr schnell: Porto ist eine unglaublich hügelige Stadt. Eine Anhöhe reiht sich an die nächste. Die Route, die mir das Handy vorschlägt, ist kürzer, aber es geht steil nach oben und dann wieder nach unten.
Die Pension hatte ich ausgewählt, weil sie direkt am Jakobsweg liegt und mit 25€ die Nacht recht günstig ist. Ich wollte noch nicht in eine Pilgerherberge, da ich ja erst am nächsten Tag loslegen wollte. Für mich zählte das noch nicht. Die beiden Damen in der Rezeption sind sehr nett, sprechen aber nur portugiesisch. Ich bin froh, dass ich mir die Sprache ein wenig angeeignet habe, denn es gibt auch schon ein Problem: von meiner Reservierung wissen sie nichts. Ich suche auf dem Handy die Bestätigungsemail, zeige sie ihnen - nach 5 Minuten hektischem Suchen in irgendwelchen Ordnern dann die Erleichterung: wegen der Kreditkartenprüfung hatte man das woanders abgeheftet. Alles kein Problem. Als sie mir das Zimmer zeigen wollen, sehen sie meine Füße. "Barfuß?!?" rufen sie auf portugiesisch. Ich erkläre ihnen, dass ich den Jakobsweg barfuß laufen möchte. "Tut das nicht weh?" - "Das ist eine Frage der Gewöhnung - aber für den Notfall habe ich Sandalen dabei."
Das Zimmer ist sehr klein aber ausreichend. Ein Doppelbett, ein Waschbecken und eine Treppe, die zum Ausgang führt. Das Badezimmer ist auf dem Gang. All das soll mir Recht sein, ich will hier nur eine Nacht verbringen. Ich sortiere mich und gehe dann los um einen Stadtbummel zu machen.
Der Himmel ist bewölkt. Auf dem großen Platz, wo ich als erstes in Porto ankam, ist das Militär groß vertreten. Es stehen dort Hubschrauber und Einsatzfahrzeuge - es scheint eine Art Rekrutierungsveranstaltung zu sein, denn es stehen einige Soldaten herum um Fragen der Passanten zu beantworten.
Porto ist bekannt für eine bestimmte Form von blauen Kacheln und diese sieht man auch sehr häufig. Viele Häuser, sogar Kirchen, sind mit diesen von außen verkleidet, was sehr hübsch wirkt. Der Hauptbahnhof von Porto hat gar eine große Wand, in der mit diesen blauen Kacheln die Geschichte der Stadt erzählt wird.

Ein recht umständlich zu faltendes Geschichtsbuch, wenn man mich fragt
In der Bahnhofshalle bringen sich gerade Leute in Sicherheit, denn es fängt an zu regnen, was meine Stimmung etwas drückt. Das wollte ich jetzt nicht haben für die nächsten Tage. Aber es steht erst einmal etwas anderes an. Eine Regel, die ich mir für die Pilgerfahrt auferlegt hatte, war: das Handy bleibt aus und wird erst wieder in Finisterre, dem Ende der Welt, wieder eingeschaltet, außer in Notfällen. Und diesem Prinzip bleibe ich treu. Ich poste ein Bild von der Bahnhofshalle mit dem Handy, schreibe auf Facebook, dass ich gut angekommen bin und schalte dann das Ding aus. Zufrieden laufe ich durch den Regen zurück durch die Stadt.
Der Straßenbelag ist sehr glatt, fast poliert und fühlt sich unter den Füßen sehr angenehm an. Leider bedeutet das aber auch, dass der Regen diesen jetzt regelrecht seifig und rutschig macht, was verbunden mit den vielen Steigungen die Sache sehr gefährlich macht. Schweren Herzens beschränke ich das Sightseeing auf einen kurzen Bummel, kaufe noch Tape in der Apotheke und gehe dann was essen, bevor ich mir eine vorzeitige Mütze Schlaf gönne - am nächsten Tag wird es ernst.

Der Laden heißt "Steaks and Shakes" und das ist exakt das, was man da bekommt

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Wer das elent bawen wel,  der heb sich auf und sei mein gesel  wol auf sant Jacobs straßen!  Zwei par schuoch der darf er wol  ein schüßel...